Studien
Baumrinden-Studie 2019
Die Rinde eines Baumes spiegelt die Schadstoffbelastung seiner Umwelt wider. Dieser Umstand wurde für das vom Bündnis in Auftrag gegebene Rindenmonitoring genutzt. In der Studie wurde die Rinde von 47 Bäumen auf über 500 Pestizidwirkstoffe getestet. Insgesamt wurden 106 unterschiedliche Substanzen gefunden, am häufigsten der stark flüchtige Herbizid-Wirkstoff Pendimethalin, gefolgt von DDT, das seit Jahrzehnten in Deutschland verboten ist. Glyphosat, ein von den Zulassungsbehörden als nicht flüchtig eingestufter Wirkstoff, wurde an der Hälfte aller Standorte nachgewiesen.
Auf der BioFach 2019 präsentierte das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft die bisher umfassendste Studie für Deutschland zur Verbreitung von Pestiziden über die Luft. Mittels Luftgüte-Rindenmonitoring wurden Bäume an 47 unterschiedlichen Standorten bundesweit untersucht. Die Ergebnisse, die das vom Bündnis beauftragte unabhängige Forschungsbüro TIEM integrierte Umweltüberwachung durchgeführt hat, zeigen: Gleich, ob landwirtschaftliche Region, Naturschutzgebiet oder Großstadt – an allen 47 untersuchten Standorten wurde eine Pestizid-Belastung nachgewiesen. Insgesamt 106 Substanzen in unterschiedlichen Kombinationen fanden die ForscherInnen. Trauriger Spitzenreiter ist Pendimethalin. Auf Platz zwei folgt überraschend DDT, ein Wirkstoff, dessen Einsatz in Deutschland seit Jahrzehnten verboten ist. »Hier zeigt sich anschaulich, wie die Entscheidungen früherer Generationen sich noch lange in die Zukunft auswirken«, kommentiert Stephan Paulke, 1. Vorsitzender des Bündnisses.
An über der Hälfte aller Standorte wurde Glyphosat nachgewiesen – ein besonders brisantes Ergebnis, denn bei Glyphosat galt eine Verfrachtung über die Luft bisher als ausgeschlossen. »Damit dürfte klar sein, dass die aktuellen Regelungen zum Monitoring und der Regulierung der Luftbelastung nicht ausreichen«, stellt Johannes Heimrath von der Bürgerinitiative Landwende und Vorstandsmitglied des Bündnisses, fest.
Als Konsequenzen aus den Ergebnissen der Studie fordert das Bündnis die Aussetzung der Zulassung der Wirkstoffe Pendimethalin und Prosulfocarb, da die bisherigen Auflagen offensichtlich nicht ausreichend sind, um die Umwelt und den ökologischen Landbau zu schützen. Ebenso ist eine Neubewertung der Zulassung von Glyphosat notwendig, da die offensichtlich stattfindende Luftverfrachtung im Zulassungsverfahren derzeit nicht berücksichtigt wird. Eine Revision des europaweiten Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel ist demnach dringend erforderlich: Ein umfassendes Monitoring der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt muss einbezogen werden. Nur so kann angesichts der neuen Erkenntnisse langfristig die von der EU garantierte Koexistenz von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft sichergestellt werden.
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Foto Beprobung Baumrinde 01: Frieder Hoffmann entnimmt mit einem Spezialgerät Baumrinde, um sie im Labor auf Rückstände von Ackergiften zu untersuchen. (5184 × 3456, 5 MB) |
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Foto Beprobung Baumrinde 02: Frieder Hoffmann entnimmt mit einem Spezialgerät Baumrinde, um sie im Labor auf Rückstände von Ackergiften zu untersuchen.(5184 × 3456, 9 MB) |
Zum Download der Studie klicken Sie hier: Bericht-H18-Rinde-20190210-1518-1
Abstract in english: here
Toxikologische Bewertung
Baumrinden-Monitoring der Pestizid-Belastung über die Luft: Eine toxikologische Bewertung
Im Auftrag des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V. hat der Umwelttoxikologe Dr. Peter Clausing einen Bericht erarbeitet, in dem er die 15 der in der Baumrindenstudie 2019 am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffe in Hinblick auf ihre Bedeutung für die menschliche Gesundheit näher betrachtet. Dabei handelt es sich um Boscalid, Clomazon, Diflufenican, Epoxiconazol, Ethofumesat, Flufenacet, Glyphosat, Metalaxyl, Metazachlor, Pendimethalin, Prosulfocarb, Prothioconazol, S-Metolachlor, Tebuconazol, Terbuthylazin. Nach den Kriterien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gelten 13 jener Wirkstoffe offiziell als nicht flüchtig. Clausing kommt zu dem Befund, dass die Berücksichtigung einer Exposition des Menschen über die Atemluft ungenügend ist. Als wichtigste Problempunkte zählen dabei ein eventuell unterschiedlicher Metabolismus (Abbau im Körper) der Pestizide, wenn sie über die Lunge in den Körper gelangen, die ungenügende Berücksichtigung einer Mehrfachbelastung des Organismus durch verschiedene Pestizide sowie die kombinierte Wirkung durch das gleiche Pestizid bei parallelem Eintritt in den Körper durch den Magen-Darm-Trakt und die Lunge. Zudem kommt der Bericht zu dem Schluss, dass die amtliche Bewertung der Krebsgefahr – einer kritischen Stoffeigenschaft – bei sieben von 13 der am häufigsten in den Baumrindenproben gefundenen Wirkstoffe als ungenügend konstatiert werden muss. Dr. Clausing: »Dass die Behörden regelmäßig ihre eigenen Bewertungskriterien falsch anwenden oder außer Acht lassen und dadurch zu einer verharmlosenden Krebsbewertung kommen, ist inakzeptabel. Es zeigt sich, dass das Behördenversagen bei der Krebsbewertung von Glyphosat kein Einzelfall war.«
Zum Download des Berichts klicken Sie hier: Tox-Bewertung Peter Clausing 02
Stellungnahme zu BfR-Mitteilung
In seiner am 28.9.2020 veröffentlichten Mitteilung Nr. 045/2020 zu Abdrift befasst sich das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und unter anderem mit dem Bericht von P. Clausing (2020) „Baumrinden-Monitoring der Pestizid-Belastung über die Luft: eine toxikologische Bewertung“. Die BfR-Mitteilung enthält eine Reihe an Kritikpunkten, die bei Leser*innen ohne Vorkenntnisse den falschen Eindruck erzeugen können, dass der Bericht von Clausing (2020) fehlerhaft sei. Dr. Peter Clausing von PAN Germany und das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft beantworten die BfR-Kritik mit folgender Entgegnung.
Stellungnahme zur BfR-Mitteilung
Weitere Informationen zum Thema Pestizide in der Luft finden Sie hier: