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Breites Bündnis fordert Einstieg in den Ausstieg aus der Anwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden!

Die europäische Farm-to-Fork-Strategie und die Biodiversitätsstrategie 2030 möchten den Einsatz und das Risiko von Pestiziden um 50 Prozent bis 2030 verringern.

Damit dies national aber auch auf EU-Ebene gelingen kann fordern wir den schrittweisen Ausstieg aus der Anwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden bis zum Jahr 2035 sowie ein Verbot der für Gesundheit und Umwelt besorgniserregendsten Pestizide in den nächsten fünf Jahren.

Warum jetzt? Ackergifte sind überall!

Das Ausbringen chemisch-synthetischer Pestizide wurde vom Europäischen Gerichtshof am 7. März 2019 als Emission in die Umwelt eingestuft. Chemisch-synthetische Pestizide können nicht nur Bienen sowie Wildpflanzen töten und Menschen schädigen, sondern auch viele andere Insekten und Wassertiere vernichten, das Bodenleben beeinträchtigen, das Trinkwasser und die auf dem Acker angebauten Lebensmittel belasten. Sie unterbrechen Nahrungsketten und führen so auch zum Rückgang von Vögeln und anderen Wirbeltieren. Kurz: chemisch-synthetische Pestizide tragen erheblich zum Verlust der Biodiversität bei.

Hinzu kommt, dass der Klimawandel die bisherige Form der Landwirtschaft durch Extremwetterereignisse vor immer größere Herausforderungen stellt. Es ist daher umso wichtiger, die Bodengesundheit, eine intakte Tier-, Pflanzen-, Pilz- und Mikrobenwelt, saubere Atemluft und die Versorgung der Menschen mit giftfreier Nahrung zu sichern. Auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen und klimafreundlichen Transformation der Landwirtschaft und des Ernährungssystems ist der Ausstieg aus chemisch-synthetischen Pestiziden unerlässlich.

Konkrete Schritte auf diesem Weg sind aus unserer Sicht: 

Es steht fest, dass sich in allen Regionen Deutschlands Pestizid-Cocktails in der Luft befinden, die bis in Nationalparks und Innenstädte sowie auf Bio-Äcker wehen. Bei einer Studie wurden insgesamt über 130 Ackergifte in allen Regionen Deutschlands gefunden; ein Drittel der gefundenen Wirkstoffe ist hierzulande gar nicht (mehr) zugelassen. Der Transport von Pestiziden über die Luft wird in der Wirkstoff-Genehmigung und in der Mittel-Zulassung jedoch nicht ausreichend berücksichtigt. 

Für eine Verbesserung des Zulassungsverfahrens unterstützen wir grundsätzlich die Forderungen der „Citizens for Science in Pesticide Regulation“. Wir haben in unserem offenen Brief in besonderem Maß auf die Probleme des Ferntransports und die Schadwirkung von Pestiziden auf Mensch und Umwelt aufmerksam gemacht und fordern, dass

  1. das Verhalten aller Pestizid-Wirkstoffe und Mittel unter realen Praxisbedingungen im Bereich von 20 Meter bis 1.000 Kilometer ab der potenziellen Quelle untersucht und bei der Zulassung berücksichtigt wird.

  2. bereits zugelassene chemisch-synthetische Pestizid-Wirkstoffe und Mittel hinsichtlich Abdrift und Ferntransport bis 2024 neu geprüft werden und Wirkstoffe, die weiter als 20 Meter vom Ausbringungsort entfernt nachgewiesen werden, ihre Zulassung verlieren

  3. auch neue Wirkstoffe bei ihrer Erst-Zulassung auf die Möglichkeit des Ferntransports unter realistischen Bedingungen geprüft und ggf. von der Zulassung ausgeschlossen werden. 

  4. unabhängige wissenschaftliche Studien im Zulassungsverfahren eine bessere Berücksichtigung erfahren, insbesondere im Bereich der Schadwirkung von Pestiziden auf die Umwelt, d.h. Studien zum Zusammenhang des Rückgangs der Artenvielfalt, zum Insektensterben insbesondere in sensiblen Bereichen wie Schutzgebieten und zur Beeinträchtigung von Ökosystemen sowie zur Erforschung der gesundheitlichen Gefahren durch das Auftreten mehrerer Wirkstoffe an einem Ort (»Cocktail«-Wirkung).

  5. dort, wo es eine ungenügende Datenlage gibt, umfangreiche Untersuchungen zur Schadwirkung von Pestiziden vorgenommen werden, vor allem im Bereich der gesundheitlichen Gefahren durch die Inhalation chemisch-synthetischer Pestizide über die Atemluft. Solange diese Daten nicht vorliegen, muss das Vorsorgeprinzip gelten, und Pestizide, deren Verbleib auf den Äckern nicht erwiesen ist, verboten werden.

Besondere Priorität bei der Überprüfung der Wirkstoffe hinsichtlich des Ferntransportes (1.2) haben die Pestizide Glyphosat, Pendimethalin, Prosulfocarb, S-Metolachlor und Terbuthylazin, da sie in der Studie Pestizid-Belastung der Luft (2020) [3] am häufigsten und weit entfernt von den Ursprungs-Äckern gefunden wurden. 
Wir fordern, dass Sie sich auf nationaler und auf EU-Ebene für eine sofortige Überprüfung dieser Wirkstoffe und Mittel, die diese Wirkstoffe enthalten, einsetzen und bis zur Neubewertung der Stoffe strenge Risikominderungsmaßnahmen einleiten.

Die Forschungslage zu Abdrift und Ferntransport von Pestiziden in Deutschland und Europa ist ungenügend. Ein umfassendes Monitoring ist daher notwendig, dessen Ergebnisse ggf. nachträglich Eingang in das Zulassungsverfahren finden. Beim Pestizid-Monitoring ist entscheidend,

  • Luft, Böden, Vegetation und Wasser auf Pestizid-Rückstände zu untersuchen.

  • ausreichend viele Standorte in das Monitoring einzubinden, darunter solche in unterschiedlichen Naturschutzgebieten und Landschaftsräumen, in konventioneller und ökologischer Landwirtschaft sowie in bewohnten Gebieten unterschiedlicher Bebauungsdichte.

  • die Einrichtung eines öffentlich einsehbaren Registers, wann, wo und welche chemisch-synthetische Pestizide von Landwirt*innen ausgebracht werden. Von staatlicher Seite muss im Rahmen des Registers eine kultur- und gebietsbezogene Auswertung der Eintragungen erfolgen. 

Der Einsatz von Pestiziden führt zu hohen Folgekosten für die Gesellschaft und für von Kontaminationen betroffene Bio-Landwirt*innen. Eine risikobasierte Pestizid-Abgabe wirkt – in der Übergangsphase bis zum endgültigen Ausstieg aus der Anwendung chemisch-synthetischer Pestizide – als Internalisierung der gesellschaftlichen Kosten und als wirtschaftliches Lenkungsinstrument. Der Umbau hin zu einer ökologischen Landwirtschaft soll durch die Pestizid-Abgabe gefördert werden – als Maßnahme, um den europäischen Green Deal zu erreichen. Die Landwirt*innen können durch die Erlöse auf dem Weg zu einer enkeltauglichen Landwirtschaft ohne chemisch-synthetische Pestizide unterstützt werden. Außerdem ist durch die Abgabe ein Schadensersatz für betroffene Bio-Landwirt*innen für unverschuldete Pestizid-Kontaminationen möglich (Koexistenzrecht des Bio-Landbaus). Daher fordern wir eine Pestizid-Abgabe 

  • nach dem Modell der Studie der Helmholtz-Gesellschaft (2021)[4]; dazu gehört u.a. eine an die maximal zulässige Aufwandmenge je Hektar und Jahr gekoppelte Abgabe.

  • Die Abgabe-Erlöse sollen eingesetzt werden sowohl für den ökologischen Umbau der Landwirtschaft als auch für die Entschädigung von Bio-Landwirt*innen, deren Ernte von chemisch-synthetischen Pestiziden aus Abdrift und Ferntransport verunreinigt wurden. 

Gemeinsam mit dem Bündnis haben folgende weitere Verbände, Organisationen, Wissenschaftler*innen sowie Unternehmen unsere Forderungen im Vorfeld der letzten Bundestagswahl unterzeichnet:

Offener Brief zum Download: